Public Speaking

Jeder von uns hat diese Geschichten zu erzählen und dennoch haben wir Angst, sie zu teilen, uns zu zeigen. Doch die Wahrheit ist, dass wir jede Angriffsfläche verlieren, sobald wir uns auf die Bühne stellen und diese Geschichten erzählen.

Als ich jung war, hatte ich riesige Angst davor, in der Schule vorlesen, geschweige denn Referate halten zu müssen. Ich verrate an dieser Stelle nicht, wie ich es geschafft habe, bis zur Oberstufe keinen einzigen Vortrag zu halten – irgendwann kam aber auch ich nicht mehr drum herum. Schließlich wollte ich nicht versetzungsgefährdet sein und konnte durch Referate meine Noten stark verbessern.

Heute ist es zum Glück undenkbar, in der Schule so viele Jahre kein Referat zu halten. Heute weiß ich auch, dass ich mit meiner Furcht nicht allein war: Laut einer Studie ist die Angst davor, eine öffentliche Rede zu halten bei 41 Prozent der Menschen einer der größten überhaupt.

Mein erstes Referat fand also in Kunst statt, darauf folgte eines in Philosophie und eines im Englisch Leistungskurs. Ich war überrascht, wie leicht es mir fiel, nachdem ich einfach losgelegt hatte. Schon nach meinem ersten Vortrag hatte ich Blut geleckt: Die Mischung aus Adrenalin und voller Aufmerksamkeit hatte mich gepackt. Später war ich begeistert zu sehen, wie viel Spaß es macht, Menschen mitzunehmen auf meine Gedankenreise und dabei direkt ansprechen zu können.

In den USA, wo ich erst ein halbes Jahr zur Schule ging und später dann studierte, erhielt ich außerdem ganz neue Einblicke in das „Public Speaking“ und „Debating“. Hier schien niemand Angst zu haben, jeder war es gewohnt, von klein auf vor Gruppen zu sprechen und sogar mit Süßigkeiten zum Verteilen und echten Performance-Tricks ihre Zuhörer für ihre Poster und Ideen zu gewinnen.

Ich bin überzeugt davon, dass es ein noch größerer Bestandteil in der Schule sein sollte, regelmäßig Vorträge zu halten und den Kindern durch das Vermitteln von Präsentationstechniken die Angst davor zu nehmen.

Dabei ist es wichtig, einfache Tools zu lernen, die jeder intuitiv und schnell umsetzen kann. Die Aufregung in den Griff zu bekommen ist ja schon Arbeit genug.
Your only real job in giving a talk is to have something valuable to say, and to say it authentically in your own unique way.
TED Talks: The Official TED Guide to Public Speaking von Chris Anderson

Ich selbst kam zum „Public Speaking“ als mich ein bekannter Speaker bei einer Jubiläumsfeier meiner Firma reden hörte. Er sprach mich an, ich solle doch als Speakerin arbeiten. Zu der Zeit verantwortete ich als Geschäftsführerin den Bereich Business Development und Strategie in meiner Firma und hielt regelmäßig Vorträge im B2B Bereich mit Fokus auf Vertrieb und Healthcare Themen. Ich war also zum einen mehr als ausgelastet und zum anderen hatte ich kein wirkliches Anliegen. Für mich war damals ganz klar, dass ich nur als Speakerin tätig sein wollte, wenn ich wirklich etwas zu sagen hatte. Warum? Weil ich von mir selbst das gleiche wie von anderen erwarte: Ich wünsche mir Authentizität, wenn ich Speaker auf Events erlebe. Ihre Geschichten müssen echt sein und tief aus dem Herzen kommen.

Als ich dann kurze Zeit später angefragt wurde, auf einer Veranstaltung eines Frauen-Netzwerks zu sprechen, war mir das Thema sofort klar: Female Empowerment! Das Feedback der Teilnehmerinnen war super. Die anschließenden Gespräche offen und ehrlich und ich hatte das Gefühl einen Auftrag erhalten zu haben. Seitdem habe ich viel an meiner Positionierung gearbeitet und mich mit dem Phänomen beschäftigt, was entsteht, wenn Speaker ihre Zuhörer berühren.
Human-to-human communication is a true wonder of the world. We do it unconsciously every day. And it reaches its most intense form on the public stage.
TED Talks: The Official TED Guide to Public Speaking von Chris Anderson

Dieses Gefühl ist unbeschreiblich schön und motiviert mich weiter auf diesem Weg zu bleiben. Meine Herzensthemen führen mich durch eine unsichtbare Struktur. Es ist das Herz, das dann Ausdruck erhält und sich mithilfe der Stimme und allen Emotionen in der Körpersprache so deutlich zeigt.
Wenn wir ein Thema haben, einen Auftrag spüren, ist die Technik plötzlich nebensächlich, die Größe des Publikums egal und unser Ego spielt keine Rolle. Dann fließt einfach die Energie mit allen im Raum.

Dennoch nutze ich gerne ein paar Tools, beispielsweise um den Vortrag einzuleiten. Denn wie wir alle wissen entscheiden die ersten Sekunden darüber, ob uns überhaupt jemand zuhören möchte. Anstelle sich mit Namen und Vitae vorzustellen und damit die kostbare Zeit zu vergeuden empfehle ich diese Einstiegstechniken:

# Starte direkt mit einer Geschichte ein. Der Überraschungseffekt sorgt dafür, dass jeder zuhört. Nimm eine echte Geschichte aus Deinem Leben oder von jemandem, den Du kennst oder kanntest. Sie sollte verbunden sein mit Deinem Anliegen, Deiner Mission, worüber Du sprechen möchtest. Was ist der Grund für Deine Entscheidung dort zu stehen? Was ist der Treiber für Deinen Job und welche Personen haben dabei eine wichtige Rolle gespielt?

# Jeder von uns hat diese Geschichten zu erzählen und dennoch haben wir Angst, sie zu teilen, uns zu zeigen. Denn nichts ist persönlicher und liefert scheinbar mehr Angriffsfläche, als wenn wir uns in einer Geschichte „nackig“ machen. Doch die Wahrheit ist, dass wir jede Angriffsfläche verlieren, sobald wir uns auf die Bühne stellen und diese Geschichten erzählen. Wir fangen an zu leuchten und werden ansteckend. Wir zeigen unsere Menschlichkeit und die Herzen öffnen sich.

# Ein anderer Einstieg, der die Aufmerksamkeit und das Interesse der Zuhörer gewinnt, ist, Fragen zu stellen. Dabei sollten es Fragen sein, die zur Audience und zum Thema passen. Sie dürfen Schmerzpunkte ansprechen oder provozieren. Optimal ist, wenn sie ein Problem oder Bedürfnis der Zuhörer beinhalten. Wichtig ist es, nicht zu viele Fragen zu stellen. Ich empfehle maximal 3. Fragen können auch im weiteren Verlauf hilfreich sein, um die Zuhörer immer wieder reinzuholen.

Nach dem Einstieg gibt es verschiedene Methoden, um die Rede aufzubauen, und hierbei sollte jeder seine eigene finden. Denn nichts ist seltsamer, als wenn ein Speaker ein offensichtliches Template verfolgt, das nicht zu ihr oder ihm passt.
Ich versuche immer, meine Message in den Fokus zu nehmen und mich auf knackige Punkte, maximal 3-5, zu konzentrieren. Dabei ist es hilfreich, den Link zu meiner Zielsetzung zu formulieren und den daraus resultierenden Nutzen für die Zuhörer abzuleiten.
Jeder Mensch tickt anders und während es dem einen besonders um Fakten und Studien geht, hört ein anderer nur die Profitaspekte oder die emotionalen Inhalte. Wenn ich mit einer sehr heterogenen Gruppe spreche, stelle ich mit gezielten Worten und Formulierungen sicher, dass sich jeder angesprochen fühlt.

Auch wenn ich der Meinung bin, dass die Sätze einfach fließen sollen, ist die Struktur der Rede wichtig. Zuhörer bewerten unterbewusst, ob es einen roten Faden gibt. Kurze „Abzweigungen“ dürfen sein, zu viele strapazieren die Aufnahmekapazität. Hilfreich sind Aufzählungen – auch nonverbal zu verstärken und diese wie wichtige Schlagwörter auf einem Flipchart o.Ä. zu notieren.

Am liebsten nutze ich die Interaktion, Abstimmung über die Hände oder Daumen sind dabei eine Möglichkeit. Wenn Du darüber hinaus Übungen kennst, die sich schnell und leicht vermitteln lassen und auch für größere Gruppen funktionieren, ist das eine tolle Möglichkeit, Deine Zuhörer zu berühren. Hierbei achte ich immer darauf, dass sich nie jemand vorgeführt fühlt, oder das Gefühl hat, sich lächerlich zu machen.

Der erste Eindruck zählt und der letzte bleibt hängen. Es hilft, den Abschluss einzuleiten: „Bevor ich zum Ende komme …“. Und auch hier trägt wieder die Power der Geschichte. Dieses Mal in der Kurzform eines Zitates.
Und dann kommt der Punkt, der nicht jedem leicht fällt auszuhalten: der Applaus. Diesen sollten wir nicht nur aushalten, sondern genießen.
In diesem Sinne: Enjoy yourself! 🙂